1955-1970 Technisierung bei der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck

Aus Rotkreuz Museum Innsbruck
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Technische Neuerungen

1956 Einführung des Sprechfunks

Die Zeit nach Abzug der alliierten Besatzungstruppen begann für die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck mit einer weitreichenden technischen Neuerung im Bereich des Alarmierungswesens, nämlich der Einführung des Sprechfunkverkehrs. Wird heute ein auf Fahrt befindlicher Rettungswagen mit Hilfe (digitalen) Sprech- oder Datenfunks zu einem Folgeeinsatz alarmiert, so stellte die Alarmierung eines Fahrzeuges, welches sich nicht gerade in der Station befand, vor Einführung des Sprechfunks eine logistische Herausforderung dar. Man behalf sich, indem man die Übermittlung von Informationen über einen weiteren Einsatz über den Portier der Innsbrucker Klinik abwickelte. Dieser wurde von der Zentrale der FRGI angerufen, woraufhin er eine Tafel mit einem Rotkreuz-Symbol in das Fenster seiner Loge stellte, um die Mannschaft, welche die Klinik ja auf jeden Fall anfahren musste, auf die Folgealarmierung hinzuweisen. Die Mannschaft rief vom Telefon des Portiers dann in der Station an, die ihr die Details übermittelte. Ähnliche Einrichtungen mit ausgehängten Wimpeln gab es in Innsbruck später auch beim Sanatorium Kettenbrücke sowie beim Gasthof Post in Gries im Sellrain.

Im Juni 1954 hatte die Österreichische Post- und Telegraphengesellschaft der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz die Funkbewilligung erteilt. In Wien und Niederösterreich wurden daraufhin erste Funkgeräte erprobt und auch die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck begann mit Planungen für den Ankauf eines Sprechfunksystems. Im September 1954 wurde eines der in Wien im probeweisen Einsatz stehenden Funkgeräte in Innsbruck mit sehr guten Ergebnissen getestet. Trotzdem wollte man mit einem Kauf warten, da die Post einen eigenen Funktelefonverkehr mit Sendeanlage am Patscherkofel einzurichten gedachte, an dem sich zu beteiligen man in Erwägung zog. Erst als klar war, dass aus dem Funktelefonsystem der Post nichts werden würde, entschloss man sich 1955, selbst eine Funkanlage zu kaufen. Man begann die Finanzierung aus Eigenmitteln durch Erlöse der Wirtschaftsbetriebe und durch Spenden der Stadt Innsbruck sowie des Landes Tirol in Angriff zu nehmen. Gerechnet wurde mit Anschaffungskosten von etwa öS 100.000.––, die um etwa öS 50.000.–– überschritten wurden. Die schließlich im November 1956 bei der Wiener Firma Richard Reiss bestellten Sprechfunkgeräte wurden am 18.12.1956 geliefert. Da die Funkgenehmigung, um die man gleichzeitig bei der Post- und Telegraphenverwaltung angesucht hatte, erst am 21.1.1957 eintraf, waren die Geräte ab Dezember 1956 schwarz in Betrieb.

Die Kanzlei der Rettungswache in der Wilhelm-Greil-Straße 23 mit der Feststation der erste Sprechfunkanlage der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck. Das Gerät befindet sich heute im Archiv. Im Vordergrund Obmann Karl Kačičnik.

Bei den Sprechfunkgeräten handelte es sich um eine Fixstation vom Typ Station Assembly PTC723N, drei Mobilgeräte für die Fahrzeuge und ein Handfunkgerät der Fa. Pye Telecommunications Ltd. Gefunkt wurde auf einer einzigen Frequenz von 77.225 MHz auf 4-Meter-Band mit Amplitudenmodulation. Man darf sich den Betrieb nicht so störungsfrei wie bei modernen Geräten vorstellen: Die ersten Funkgeräte verbrauchten sehr viel Strom, sodass sie im Stand ausgeschaltet wurden, um die Fahrzeugbatterien nicht über Gebühr zu belasten. Während die Fixstation in der Kanzlei aufgestellt wurde, wurden die Mobilgeräte in drei Fahrzeuge eingebaut. Drei weitere Fahrzeuge wurden mit Aufnahmen für die Sprechfunkapparate ausgestattet, sodass diese bei Ausfall eines der ständig ausgestatteten Rettungswägen schnell umgebaut werden konnten.

Mit der Anschaffung einer Sprechfunkanlage war die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck nach jener in Wien die erste Rotkreuzdienststelle einer Österreichischen Landeshauptstadt, die mit einem auf Fahrt befindlichen Rettungswagen jederzeit Verbindung aufnehmen konnte!

Bereits ab 1957 war man im Begriffe, weitere Funkgeräte anzuschaffen. Finanziert wurden sie durch eine eigens dafür abgestellte Spendenaktion. Bis 1963, und somit rechtzeitig vor den Olympischen Winterspielen 1964, waren sämtliche Fahrzeuge der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck mit Sprechfunkanlagen ausgestattet.

1956 Der erste Transportinkubator

Ebenfalls im Jahre 1955 erhielt die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck ihren ersten Inkubator (Brutkasten). Zur Erhaltung der Wärme auch ohne Stromversorgung konnten an der Unterseite Behälter mit heißem Wasser eingeschoben werden. Im Oktober 1955 wurde eine Vereinbarung zwischen dem Landesverband Tirol des Österreichischen Roten Kreuzes und den Krankenkassen getroffen, dass sämtliche Transporte von Frühgeburten von der FRGI mit dem Inkubator durchgeführt werden sollten. Am 2.3.1956 kam das Gerät erstmals bei einer Frühgeburt von Zwillingen auf der Flaurlinger Alm real zum Einsatz: Unter schwierigsten Verhältnissen wurden die Neugeborenen auf von Lawinen verschütteten Wegen in stundenlangem Fußmarsch zu Tal und anschließend in ärztliche Betreuung verbracht. Trotz Einsatzes des Inkubators überlebten die Zwillinge nicht.

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1959/1960 Umstellung der im Rettungsdienst eingesetzten Beatmungsmethoden auf Mund-zu-Mund- bzw. Beutelbeatmung

Resusitube Airway der Fa. Johnson & Johnson, 1960. – Beatmungrohr, Kunststoff, ca. 17x9,3x5 cm (LxBxH). – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.

1959 werden erstmals Fahrzeuge der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck mit erst vor kurzem v. a. von Henning Ruben entwickelten Beatmungsbeuteln der Fa. Ambu sowie 1960 mit Resusituben der Fa. Johnson & Johnson ausgestattet und Schulungen zum Gebrauch der Geräte durchgeführt. Beim „Resusitubus“ handelte es sich um ein „Beatmungsrohr“, durch dessen Einsatz die Mund-zu-Mund-Beatmung durch einen Ersthelfer effizienter und ohne den direkten Mund-zu-Mund-Kontakt mit dem Patienten durchgeführt werden konnte. Bei den Schulungen wurde bereits ein Exemplar der ersten von der Firma Ambu zwischen 1957 und 1959 hergestellten Übungspuppen (Phantom) eingesetzt.

Die Einführung der Beatmungsbeutel und der Resusituben ging Hand in Hand mit der Umstellung der Beatmungsmethode nach klassischen Prinzipien Holger Nielsens u. a. auf Mund-zu-Mund-Beatmung. Damit war die FRGI am Puls der Zeit: Ab 1954 hatte sich der Ende der 1940er-Jahre in die USA ausgewanderte Österreicher Peter Safar mit lebensrettenden Sofortmaßnahmen, die auch von Laien problemlos durchgeführt werden können, zu beschäftigen begonnen. Im Rahmen verschiedener Experimente am Baltimore City Hospital konnte er die überlegene Suffizienz der Mund-zu-Mund-Beatmung gegenüber klassischen, auch bei der FRGI damals noch gebräuchlichen Methoden künstlicher Atmung wie eben jener nach Holger Nielsen und anderer erstmals nachweisen. Zeitgleich entdecken William Kouwenhoven, Guy Knickerbocker und James Jude ebenfalls in Baltimore, dass sich durch externe Herzdruckmassage der Kreislauf einer Person im Atem-Kreislauf-Stillstand künstlich aufrechterhalten lässt. Es entsteht das ABC-Schema (Airway, Breathing, Circulation) der Wiederbelebung. Damit wurden die Grundlagen noch heute angewandter Techniken der Cardiopulmonalen Reanimation geschaffen. 1961 empfahl das Internationale Symposium für Wiederbelebung (Stavanger, 21.-24.8.1961) zum ersten Mal Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage zur Wiederbelebung klinisch Toter. 1963 wurden im Zuge der Vorbereitungen für die Olympischen Winterspiele 1964 die Rettungswägen der FRGI auch mit Sauerstoffflaschen und Beatmungsgeräten nachgerüstet. Die Ausstattung der Fahrzeuge mit Defibrillatoren, wie sie heute als für den Rettungsdienst unerlässlich angesehen werden, erfolgte erst 36 Jahre später!

Flüchtlingshilfe, Olympische Winterspiele 1964

Im Oktober 1956 bricht der sog. „Ungarische Volksaufstand“ gegen die kommunistische Vorherrschaft in Ungarn aus. Anfang November 1956 rückten sowjetische Truppen in das Land ein und schlugen den Aufstand blutig nieder. In der Folge setzte eine Massenfluchtbewegung von etwa 200.000 Ungarn nach Österreich ein. Die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck übernimmt am Hauptbahnhof die Betreuung von Flüchtlingen, die nach Westen weiterfahren. Reste der zu diesem Zweck getätigten Kleiderspenden gehen 1959 vom Landesverband Tirol der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz an die FRGI und werden an Bedürftige ausgegeben.

Von 29.1. bis 9.2.1964 stellte die FRGI im Einvernehmen mit dem Landesverband Tirol der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz gemeinsam mit den Rotkreuz-Bezirksstellen Reutte, Landeck, Imst sowie einer Gruppe des Jugendrotkreuzes die Großambulanz für die IX. Olympischen Winterspiele in Innsbruck. Schon die Vorolympiade 1963 hatte man als Generalprobe für den Großeinsatz nutzen können. Die Ambulanz für die eigentlichen Spiele umfasste 3943,5 Arbeitsstunden in denen 254 Hilfeleistungen und 44 Abtransporte von Verletzten oder Erkrankten durchgeführt wurden.

Der Wacheneubau am Sillufer, 1968-1970

Die auf dem Tivoli-Areal neu erbaute Rettungswache im Jahre 1970. Noch heute hat die Freiwillige Rettung Innsbruck in diesem Gebäude ihren Sitz.

Bis 1965 war die in den Jahren 1926 und 1927 erbaute Rettungswache für den ständig anwachsenden Dienstbetrieb zunehmend zu klein geworden. Dies betraf die Garagen, den Verwaltungstrakt mit der Kanzlei, die als Funk- und Telefonzentrale diente und gleichzeitig Transportverrechnung, Statistik, Korrespondenz und den Parteienverkehr umfasste, sowie unzulängliche Schlafräume und auf verschiedene Lagerräume verstreutes Kastrophenmaterial. Man begann mit den Planungen eines Wacheneubaues mit Lager des Landesverbandes für Katastrophenmaterial auf jenem Grund am Tivoli neben der Innsbrucker Hauptfeuerwache, auf dem sich die Station der Freiwilligen Rettung Innsbruck heute noch befindet.

Der Grund am Tivoli mit einer Fläche von rund 3000 m² wurde der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck von der Stadt Innsbruck 1966 zur Verfügung gestellt (Grundbucheintragung), 1968 wurde der Schenkungsvertrag steuerfrei unterzeichnet. Kurz darauf gründete man einen Bauausschuss, dem auch Obmann Ing. Karl Pobitzer und Ehrenobmann Karl Kačičnik angehörten. Die Finanzierung des auf rund 15 Millionen Schilling veranschlagten, letztlich aber öS 17,283.000.–– teuren Baues erfolgte u.a. durch die Aufnahme eines Darlehens bei der Innsbrucker Sparkassa und der Landeshypothekenanstalt in der Höhe von öS 5 Mio. sowie durch Mittel der Wohnbauförderung (geplante Mitgliederwohnungen), Spenden, eine Bausteinaktion und Subventionen der Stadt Innsbruck. Außerdem wurde 1969 das Haus in der Wilhelm-Greil-Straße 25 für öS 5 Mio. an die Stieglbrauerei verkauft. Die Ausfallshaftung für die Darlehen übernahm wie schon beim Neubau von 1926/27 die Stadt Innsbruck.

Im März 1968 wurden unter der Bauleitung des Büros von Obmann Ing. Karl Pobitzer die Baumeisterarbeiten an die Firma Huter & Söhne, die statischen Berechnungen an die Firma Dipl.-Ing. Rudolf Meisel vergeben. Der Beginn der Bauarbeiten im April 1968 lag rund ein Jahr nach dem bereits am 29.04.1967 erfolgten Spatenstich. Die Firstfeier wurde am 13.12.1968 abgehalten.

Diaserie von Adolf Pfleger zum Baufortschritt 1968-1969

Nachdem die Weihnachtsfeier der FRGI vom 27.12.1969 erstmals in der neuen Wache am Sillufer 3 hatte stattfinden können, erfolgte am 19.03.1970 mit Hilfe des hauptberuflichen Personals, dessen Dienste von Ehrenamtlichen übernommen wurden, der Umzug von der Wilhelm-Greil-Straße in den Neubau. Am 21.03.1970 um 14 Uhr ging die neue Rettungstation schließlich in Betrieb. Von 30.4. bis 3.5.1970 fanden die offiziellen Einweihungsfeierlichkeiten statt.

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Ernst Pavelka