Exponat des Monats 12/2018

Aus Rotkreuz Museum Innsbruck
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Im ⇨ Online-Museum wird jeden Monat ein Gegenstand aus dem ⇨ Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck vorgestellt.
Das folgende Objekt stammt aus der medizinhistorischen Sammlung des Freundeskreis Pesthaus, zu dem das Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck freundschaftliche Beziehungen zum Zwecke eines gegenseitigen Wissenstransfers unterhält.

Erkameter zur Blutdruckmessung, 1930er-Jahre

Die manuelle oder automatisierte Blutdruckmessung gehört zu den wichtigsten im Rettungsdienst eingesetzten diagnostischen Verfahren. Sie ist auch unter widrigen Bedingungen am Einsatzort einfach und schnell durchzuführen, liefert dabei aber wesentliche Daten zum Zustand des Patienten oder zur Vorbereitung notärztlicher Maßnahmen. Selbst die regelmäßige Blutdruckmessung zuhause stellt heute technisch kein Problem mehr dar. Die jeweils verwendete nicht-invasive, also unblutige Messmethode ist allerdings erst Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt worden. Dieser ging eine Entwicklung voraus, die mit Experimenten eines englischen Landpfarrers Anfang des 18. Jahrhunderts beginnen sollte. Ab 1914 wurden von der Firma Erka Blutdruckmessgeräte erstmals industriell gefertigt. Das hier vorgestelle Modell eines Erkameter stammt aus den 1930er-Jahren.

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Erkameter, 1930er-Jahre. – © Freundeskreis Pesthaus. Erkameter mit ausgelegter Blutdruckmanschette, 1930er-Jahre. – © Freundeskreis Pesthaus. Holzkästchen zum Erkameter, 34 x 12 x 5,5cm (LxBxH). – © Freundeskreis Pesthaus.

Geschichte der nicht-invasiven Blutdruckmessung

Das Zeitalter der Aufklärung katalysierte auch die medizinische Forschung, deren Hauptthemen in den Bereichen der Physiologie, Pathologie und der aufkeimenden Chemie lagen. Der schottische Arzt James Keill (1673-1719) arbeitete experimentell an der Klärung des Verhältnisses zwischen festen und flüssigen Bestandteilen des menschlichen Körpers und schätzte in diesem Kontext als einer der Ersten die Kraft des Herzens sowie Druck und Geschwindigkeit des Blutes. Eine wirkliche quantitative Messung dieser „force of the blood“ gelang allerdings erst Stephen Hales (1677-1761). Dieser absolvierte zunächst ein Theologiestudium am Benet’s College in Cambridge. Die Studieninhalte waren aber keinesfalls ausschließlich theologischer Natur, auch in Mathematik, Naturwissenschaften, Medizin und Philosophie erhielt Hales eine profunde Ausbildung. In ersten Experimenten, gemeinsam durchgeführt ab 1706 mit dem Mediziner und Altertumsforscher William Stukeley (1687-1765), wurde der arterielle und der venöse Druck bei Hunden gemessen.

Sphygmomanometer nach Riva-Rocci, komplett in Etui, Nr. 442, neben anderen Modellen zur Puls- und Blutdruckmessung, in: Hermann Katsch, Haupt-Preisliste, München 1906, Seite 48.

Hales wurde 1709 schließlich zum Pfarrer der kleinen Landgemeinde Teddington in Middlesex berufen. Dort konnte er sich weiter seinen wissenschaftlichen Interessen widmen, insbesondere der Fortsetzung seiner tierexperimentellen Versuche zum Blutdruck. Wohl Anfang der 1910er Jahre, führte er eine Reihe von Experimenten durch, wobei jene an Pferden wohl die größte Berühmtheit erlangten. Erst mehr als hundert Jahre später führte der französische Physiologe Jean L. M. Poiseuille (1797-1869) die Vorarbeiten von Hales fort und nützte in den 1820ern erstmalig ein Quecksilbermanometer für die invasive Druckmessung bei Tierexperimenten. Sein deutscher Kollege Carl Ludwig (1816-1895), der als einer der Begründer der modernen Physiologie gilt, erweiterte Poiseuilles Apparat 1847 um eine Schreibapparatur, so dass die Messungen parallel dokumentiert werden konnten (sog. Kymograph).

Wichtiger für den klinischen Gebrauch war die Einführung von nicht-invasiven Messtechniken. Karl von Vierordt (1818-1884) entwickelte 1855 einen Sphygmographen zur bildlichen Darstellung der Herzfrequenz. Mittels Gegengewichten konnte zusätzlich der Blutdruck des Patienten gemessen werden. 1860 entwickelte der französische Mediziner Étienne-Jules Marey (1830-1904) den Sphygmographen zwar weiter, für den klinischen Alltag war dieser zur Puls- und insbesondere zur Blutdruckmessung aber weiterhin zu umständlich.

Der österreichische Mediziner Samuel S. K. von Basch (1837-1905) entwickelte in den späten 1870ern ein erstes Sphygmomanometer zur nicht-invasiven Blutdruckmessung. Hierfür wurde ein wassergefüllter Schlauch am Handgelenk angebracht und konstant aufgeblasen, bis der Puls verschwand. Der dafür aufgebrachte Druck, welcher dem systolischen Blutdruck entspricht, wurde mittels des verbundenen Quecksilbermanometers gemessen. 1896 stellte der Italiener Scipione Riva-Rocci (1863-1937) das von ihm entwickelte Sphygmomanometer vor. Riva-Rocci bevorzugte die Oberarmarterie zur Druckmessung und verwendete dafür eine aufblasbare Kautschuk-Manschette verbunden mit einem Quecksilbermanometer. Die Einfachheit der Anwendung sicherte Riva-Rocci den Erfolg und auch heute erinnert das Kürzel „RR“ vor den Blutdruckwerten an seine technischen Errungenschaften. Initial ließ sich auch mit diesem Gerät einzig der systolische Blutdruck messen. Der russische Militärarzt Nikolai Korotkoff (1874-1920) ergänzte 1905 die Messung jedoch um das Abhören der Oberarmarterie unterhalb der Manschette in der Ellenbeuge. Die zu hörenden Korotkoff’schen Geräusche traten mit abnehmenden Manschettendruck auf und signalisierten den systolischen Blutdruck, mit Verschwinden dieser Geräusche war der diastolische Wert erreicht.

Diese Methode der Blutdruckmessung fand rasch breiten Einzug in den medizinischen Alltag, entsprechend hatte auch die Industrie ein großes Interesse an der seriellen Produktion von solchen Geräten. Das 1889 von Richard Kallmeyer in Berlin gegründete Unternehmen „Erka“ stellte bereits 1914 das weltweit erste industriell gefertigte Messgerät her. Ab 1927 begann die Produktion der Modellreihe „Erkameter“. Das hier vorgestellte, noch funktionierende Modell ist Teil der medizinhistorischen Sammlung des Freundeskreis Pesthaus und stammt etwa aus den 1930ern. Mit der Inventarnummer 3013 versehen, ist das Sphygmomanometer in einem aufklappbaren Holzkistchen (Länge 34cm, Breite 12cm, Höhe 5,5cm) untergebracht. Nur rund 1,5 Kilogramm schwer, konnte dieses Modell nicht nur in der Arztpraxis, sondern auch für Hausbesuche verwendet werden. Für spätere Modelle dieser Reihe hat die Firma für die Kistchen statt Holz dann Bakelit und Metall verwendet. „Erka“ ist insgesamt seinem Design jedoch treu geblieben und auch im heutigen Produktkatalog findet sich mit dem „Erkameter 3000 ECO“ ein veritabler Nachfolger unseres schönen Exemplars.

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Mag. Dr. Christian Lechner, Freundeskreis Pesthaus, 11.12.2018