Gustav Riegl

Aus Rotkreuz Museum Innsbruck
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Gustav Riegl – Alt-Führer der Sanitätsabteilung der freiwilligen Feuerwehr“, ~1899 (?). – Fotografie, s/w, 23 x 32 cm (B x H). – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.

Gustav Riegl (31.8.1861-22.4.1910) gehört neben Dr. Otto Kölner, Leo Stainer und Viktor Baron Graff zu den wichtigsten Gründervätern der Freiwilligen Rettung Innsbruck und damit des öffentlichen Rettungsdienstes in Innsbruck wie in ganz Tirol. Als Abteilungsführer der Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck unterzog er diese im Jahre 1897 im Auftrag von Branddirektor Viktor Freiherr von Graff einer grundlegenden Reorganisation, die die Aufnahme des öffentlichen Rettungsdienstes in Innsbruck am 01.10.1907 überhaupt erst ermöglichte. Obwohl Gustav Riegl die Kommmandantur der Sanitätsabteilung nur zwei Jahre lang innehatte, sehen zeitgenössische Quellen seine Leistung auf einer Höhe mit jener Dr. Otto Kölners. Gustav Riegl reiht sich damit in den Kreis jenes vor allem gewerblich geprägten Innsbrucker Bürgertums ein, der sich gut vernetzt in der städtischen Vereinskultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts um die Schaffung einer Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck verdient machte.

Der Fisch-, Wildbret- und Geflügelhändler Gustav Riegl

Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, 06.68 Nachlass Riegl: Arbeitszeugnis der Fa. Josef Epp's Söhne für Gustav Riegl von Juli 1881.

Gustav Franz Riegl wurde am 31.08.1861, um drei Uhr Nachmittag, als Sohn des „Fisch-, Wildpret und Geflügelhändlers“ Johann Josef (1826–1904) und der Margarethe (auch „Margarete“ und „Margaretha“) Riegl, geb. Reiner (auch: „Rainer“) (1840–1910) in Innsbruck geboren. Der Vater betrieb ab 1858 zunächst ein Versicherungsbüro der „K. k. bestätigten, wechselseitigen siebenbürger Hagelversicherungsgesellschaft“ am Standort Innrain 170, etwa auf Höhe des heutigen Innrain 19 (MPreis). 1862 scheint Johann Josef Riegl erstmals als „Wildprethändler in Innsbruck“ auf, und zwar an derselben Adresse wie das Versicherungsbüro. Bereits sein Großvater, Georg Riegl, hatte einen Fleischhandel geführt, sodass angenommen werden kann, Johann Josef Riegl hätte den Betrieb seines Vaters zu diesem Zeitpunkt oder auch schon früher übernommen. Zusätzlich dürfte er eine „Geflügelanstalt“, offenbar einen Geflügelzuchtbetrieb, in der Innbrückestraße 449, der heutigen Innstraße, unterhalten haben. Seltsam mag heutzutage anmuten, dass beide auch ein „Tiroler Haarwuchsöl“, u. a. wohl per Versandhandel vertrieben.

Leo Stainer: Mitglieder der Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck bei einem Kameradschaftsausflug am 28.05.1908 vor dem Gasthof Ebner zu Absam. Gustav Riegl als Dritter von links; Fünfter von links Obmann-Stellvertreter Anton Gasser, rechts daneben Schriftführer Ferdinand Nessler jun. – Fotografie (Ansichtskarte), s/w, 14 x 9 cm. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.

Dass Gustav den Betrieb des Vaters übernehmen sollte, zeichnete sich bereits während der Schulzeit ab. Nach Besuch der Musterschule der k. k. Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck (1867–1872), trat er in die Bürgerschule (1872–1876) ein, in der er den Handelszweig („Handelsabteilung“) einschlug. Bei sonst tendenziell durchschnittlichen Noten hatte er in den kaufmännischen Fächern „Doppelte Buchführung“ und „Warenkunde“ im Schuljahr 1875/76 jeweils ein „Sehr gut“. Gute Noten hatte er auch in den Fächern „Italienisch“ und „Französisch“, während ihm das Freihandzeichnen nicht so gelegen sein dürfte. Danach finden wir Gustav Riegl in der Handels-Lehranstalt – Specielles Bildungsinstitut für Handelsbeflissene und Industrielle in München, welche er allerdings nur ein Jahr lang besucht hatte.

Vom 01.10.1877 – 01.05.1880 absolvierte Gustav ein Praktikum beim Kurz- und Eisenwarengroßhändler Dominik Zambra in Innsbruck, wo er sich als „fleißiger, ehrlicher, gewandter Arbeiter [die] vollste Zufriedenheit“ seines Lehrherren erwerben konnte. Von Anfang Juni 1880 bis Ende Juli 1881 war der rund Zwanzigjährige außerdem beim Petroleumhändler Josef Epp's Söhne, ebenfalls in Innsbruck angesiedelt, als „Commis“ (Kontorist) und Buchhalter tätig. Auch hier stellen ihm seine Arbeitgeber nur beste Zeugnisse aus. So wäre Gustav „während dieser ganzen Zeit durch tadellose Solidität, […] großen Fleiß + unermüdlichen Eifer, durch seine umfassende und vielseitige Verwendbarkeit + eminente Geschicklichkeit sowohl, als auch durch seine makellose Treue, Redlichkeit, Ehrlichkeit + Gewissenhaftigkeit, womit er seinen ziemlich selbständigen[,] daher auch verantwortungsvollen Posten ausfüllte“ aufgefallen. Möglicherweise zeigen sich hier beim jugendlichen Kaufmann schon Charaktereigenschaften, die es ihm rund siebzehn Jahre später ermöglichen sollten, die Kommandantur der Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck zu übernehmen. Sein späterer Stellvertreter als Abteilungskommandant, der Magistratsbeamte Amadeus Simath, wird ihn jedenfalls als „außerordentlich intelligente[n] und energische[n] Mann, der sich gerne in der Welt umschaute, die Dinge mit offenen Augen betrachtete und bestrebt war, im Interesse seiner Vaterstadt zu wirken“ wahrnehmen. Jetzt, 1881, trat Gustav Riegl allerdings zunächst einmal in die Wildbrethandlung seines Vaters ein.Wahrscheinlich schon 1887, möglicherweise aber erst 1890 wird er das Geschäft auch übernehmen und unter Beibehaltung des auf den Vater zurückgehenden Firmennamens Johann Josef Riegl – Fisch-, Wildpret- und Geflügelhandlung weiterführen. Eine Übernahme schon im Jahre 1887 ist nicht unwahrscheinlich, zumal Gustav am 23.01.1888 in München Franziska „Fanny“ Josepha Massinger ehelichte, was auf eine nunmehr gesicherte wirtschaftliche Existenz hindeuten könnte. 1890 erscheint die Fa. Johann Josef Riegl als „Fischhalle“ oder „Städtische Fischbank“ an der Adresse Marktgraben 23, während Gustav Riegls Wohnadresse Schlossergasse 7 an der Rückseite desselben Gebäudes gelegen war. Es folgten die Geburt der Tochter Bertha, 1892, einer Tochter Irmengard, 1895, die bereits ein Dreivierteljahr nach der Geburt verstarb, sowie des Sohnes Johann Hermann im Jahre 1898.

1899 übersiedelt Gustav Riegl nach München, um die Leitung der dortigen Filiale der Deutschen Dampffischereigesellschaft „Nordsee“, mit der er schon davor in geschäftlicher Beziehung gestanden sein dürfte, zu übernehmen. Wahrscheinlich mit 01.11.1899 löste er die Fa. Johann Josef Riegl – Fisch-, Wildpret- und Geflügelhandlung in Innsbruck auf und übergab schon als Vertreter der Deutschen Dampffischereigesellschaft „Nordsee“ in München die Verkaufsstelle Tirol derselben an Heinrich Zack, ebenfalls Eigentümer eines „Fisch-, Wildpret- und Geflügelhandels“. Die „Städtische Fischbank“ am Marktgraben wurde am 03.11.1899 geschlossen. 1907 kehrte Gustav Riegl jedoch zurück, kaufte den Gasthof Ebner in Absam, den er zu einem modernen Gasthof umgestaltete, und verlegte seinen Wohnsitz selbst nach Absam. Der Gasthof wurde nach dem Tod von Gustav Riegl im Jahre 1910 von Fanny Riegl rund drei Jahre lang weitergeführt, seit 1930 steht er im Eigentum der Familie Pauli, urspr. Stricker.

Gustav Riegl und die Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck

Schon Johann Josef Riegl, der in den Quellen der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck immer nur als Hans oder Johann Riegl aufscheint, war Mitglied der Feuerwehr gewesen. Zunächst Gründungsmitglied der 1857 als erster in Österreich ins Leben gerufenen freiwilligen Feuerwehr, folgte er 1864 Gründervater Franz Thurner als Kommandant nach. 1905 wird er gemeinsam mit Anton Gratl maßgeblich an der Realisierung des Franz-Thurner-Denkmals im heutigen Walterpark beteiligt sein. Insofern mag es nicht wundernehmen, wenn sich auch der Sohn für das Feuerwehrwesen zu interessieren begann.

Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, 06.68 Nachlass Riegl: Feuerwehrpass von Gustav Riegl, 01.09.1895 – 06.08.1907, S. 2f.

Am 01.09.1895 trat Gustav Riegl in die Freiwillige Feuerwehr Innsbruck ein. Aber anders als sein Vater oder auch die ältesten Gründungsmitglieder der am 12.04.1907 ins Leben gerufenen Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck, der Kaufmann Leo Stainer, der Fleischwarenerzeuger Hans Hörtnagl und der Konditor Hans Munding, die allesamt ihre Wurzeln im Innsbrucker Turnverein gehabt hatten, von dem aus sie 1892 in die Steigerabteilungen der Feuerwehr drängten, führte Gustavs Weg direkt in die seit 1881 bestanden habende Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck. Zwei Jahre lang verbrachte Gustav Riegl als einfacher Sanitätsmann. Eine Zeit, in der er sich bereits als „Neuerer“ in der aus ausgedienten und schlecht ausgebildeten Mitgliedern der Feuerwehr bestanden habenden Sanitätskolonne bemerkbar gemacht haben soll, ohne dass sich eruieren hätte lassen, was damit genau gemeint gewesen wäre. Dies freilich sowie der Umstand, dass Riegl, wie wir schon gehört haben, als „außerordentlich intelligent und energisch“ eingeschätzt wurde, wird ausschlaggebend dafür gewesen sein, ihn 1897 zum „Führer“ der Santitätsabteilung zu machen. Ziel der sicherlich von Branddirektor Viktor Baron Graff (1853–1930) ausgegangenen Personalentscheidung war es nämlich, die Sanitätsabteilung, die damals nur bei Brandeinsätzen der Feuerwehr ausrückte, derart einer Reform zu unterziehen, dass sie dereinst einmal den öffentlichen Rettungsdienst in Innsbruck stellen können sollte.

⇨ Die Reorganisation der Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck, 1897

Während Viktor Baron Graff Leo Stainer, der 1907 erster Obmann, Hans Hörtnagl, der später erster Kassier der Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck werden sollte und Hans Munding zur Sanität holte, um das Personal zu verjüngen, holte Gustav Riegl zur Reform der Ausbildung den Innsbrucker Stadtarzt Dr. Otto Kölner zur Feuerwehr. Gustav Riegl und sein Stellvertreter Amadeus Simath hatten Dr. Otto Kölner aus der Städtischen Verkehrssektion gekannt. Bei der Städtischen Verkehrssektion handelte es sich um einen Ausschuss des Innsbrucker Gemeinderats, der 1888 als „Gemeinderäthliche Commission zur Hebung des Fremdenverkehrs in Innsbruck“ gegründet wurde. Man widmete sich dabei Fragen der Fiakertarife ebenso wie solchen des Taktes der Eisenbahnzüge mit Hinblick auf den Ausbau des Tourismus.

Ernst Pavelka: Das Grabmal der Familie Riegl auf dem Innsbrucker Westfriedhof, 18.04.2020. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.

Auf Betreiben von Gustav Riegl trat Dr. Otto Kölner am 01.01.1897 schließlich als Korpsarzt in die Freiwillige Feuerwehr Innsbruck ein. Unter Dr. Otto Kölner wird bei der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck nun erstmals ein regelmäßiger Schulungsbetrieb für die Sanität eingeführt. Im Jahresbericht der Freiwilligen Feuerwehr für das Jahr 1897 wird im Statistischen Anhang unter der Übungsstatistik der vier Züge der Feuerwehr erstmals auch die Anzahl der Übungen der Sanitätsabteilung angeführt. Demnach mussten neunzehn theoretische und sechzehn praktische Übungen bewältigt werden. Das Curriculum trug den Titel „[E]rste Hilfe der Sanitätsmannschaft bei Unglücksfällen“. Es bildete die Basis dafür, dass am 12.04.1907 aus der Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck eine Rettungsabteilung gebildet werden konnte, die ab 01.10.1907 erstmals in Innsbruck, und mit Innsbruck in Tirol einen funktionierenden öffentlichen Rettungsdienst stellte.

Als Riegl 1899 beruflich nach München verzog, ließ er sich ab 01.11. bei der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck beurlauben. Spätestens im Juli 1907 war er jedoch wieder zurück und verzog nach Absam, um dort den Gasthof Ebner zu betreiben. Am 01.07.1907 trat er zur Freiwilligen Feuerwehr Absam über. Nachdem Gustavs Mutter Margarethe am 18.02.1910 im siebzigsten Lebensjahr in Absam verstorben war, folgte ihr der Sohn infolge „eine[s] tückischen und hartnäckigen Leiden[s] im schönsten Mannesalter“ am 22.04. desselben Jahres nach. Es ist von Gustav Riegl ein Testamentsentwurf erhalten, nach dem er sein Vermögen zeittypisch zur Hälfte seinem Sohn Hermann und zu je einem Viertel seinen beiden Töchtern Berta und Hedwig vermacht hätte; seine Gattin Fanny hätte außerdem den lebenslangen Fruchtgenuss am Gesamtvermögen erhalten sollen. Wie die Erbschaftsangelegenheit tatsächlich gelöst wurde, liegt im Dunkeln. Es ist gesichert, dass Fanny Riegl nach dem Tod ihres Gatten den Gasthof Ebner weiterführte, aber auch, dass zwei Jahre später gegen sie ein Konkursverfahren eingeleitet wurde, in dessen Zuge am 30.05.1913 auch das „Gasthaus zum Ebner mit Oekonomie“ zur Versteigerung gelangte.

Der Leichnam Gustav Riegls wurde nach der Aufbahrung im „Trauerhaus“, wohl dem Gasthof Ebner in Absam, am 24.04.1910 nach Innsbruck überführt und auf dem Westfriedhof beerdigt.

Das Begräbnis des nun Heimgegangenen gestaltete sich zu einer imposanten Trauerkundgebung. Der Sarg wurde mit der Leiche des allzu früh den Seinen Entrissenen nach der in Absam erfolgten Einsegnung mittelst Fourgons bis zum Mauthause in Innsbruck überführt. Von hier aus setzte sich der Zug unter Vorantritt der Höttinger Musikkapelle in Bewegung. Die Rettungsabteilung war vollzählig ausgerückt, die Absamer Freiwillige Feuerwehr, welcher Riegl angehörte, sandte unter Führung ihres Hauptmannes eine 44 Mann starke Abordnung. Sodann folgten im Zuge eine Abordnung der Schützen von Absam, ein mit herrlichen Kränzen behangener Kranzwagen und der vierspännig gezogene Leichenwagen. Unter den vielen Leidtragenden aus allen Kreisen der Bevölkerung bemerkte man viele Gemeinderäte und die Spitzen verschiedener Behörden. Die große Teilnahme war ein deutliches Zeichen dafür, daß der edle Verstorbene von allen, die ihn kannten und schätzten, in treuem Andenken bewahrt werden wird.

Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck (Hg.): Vierter Jahresbericht der Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck 1910. Innsbruck: Selbstverlag (Typ: Tyrolia), 1911, S. 22. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.

Die Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck ehrte ihren „Alt-Führer“ außerdem, indem sie das obige Portrait, das gleichzeitig das Sterbebild hergab, neben einer Fotografie Dr Otto Kölners in der Station im Rathaus aufhängte.



Ernst Pavelka, 28.09.2016, 20.–22.04.2020.