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<sup>Im [[Online-Museum|Online-Museum]] wird jeden Monat ein Gegenstand aus dem [[Das Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck|Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck]] vorgestellt.</sup>
== Die ''Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck'' beim Entladen eines Verwundetenzuges am Innsbrucker Hauptbahnhof im Jahre 1916. ==
== Die ''Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck'' beim Entladen eines Verwundetenzuges am Innsbrucker Hauptbahnhof im Jahre 1916. ==



Version vom 11. Dezember 2016, 12:47 Uhr

Im Online-Museum wird jeden Monat ein Gegenstand aus dem Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck vorgestellt.

Die Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck beim Entladen eines Verwundetenzuges am Innsbrucker Hauptbahnhof im Jahre 1916.

Karl Dornach: Lokal-Krankentransport-Kolonne vom Roten Kreuze, Ansichtskarte, s/w, 12x9 cm, Innsbruck: Kunstverlag Leo Stainer, 1916.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs Anfang August 1914, wurde für die Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck ein bereits 1892 abgeschlossenes, später erneuertes Abkommen zwischen der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz und dem Österreichischen Feuerwehrverband schlagend, durch das sich die Freiwilligen Feuerwehren im Kriegsfall zur Hilfeleistung für Militärangehörige verpflichteten. Konkret bestand die Hilfeleistung im Ent- und Beladen von Verwundetenzügen und in der Versorgung durchreisender Verwundeter.

Bereits am 8.8., wenige Tage nach der allgemeinen Mobilisierung am 1., rief die Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz die Feuerwehren zum sog. „Verwundetenabschub“ auf den Bahnhöfen auf. Aufgrund Personalmangels infolge der Einberufungen – schon im ersten Kriegsjahr musste die Hälfte der aktiven Mitglieder der Rettungsabteilung einrücken – wurde die Zivilbevölkerung mit Anschlägen und Zeitungsannoncen zur Mithilfe aufgerufen. „[J]unge, kräftige, noch nicht militärdienstpflichtige Männer“ [Innsbrucker Nachrichten (1914) 61, Nr. 201, 14.08.1914, S. 7] sollten sich an der Privat- und Geschäftsadresse von Obmann Leo Stainer in der Maria-Theresien-Straße 38 melden. Aufgeteilt auf mehrere Termine wurden sie im zweiten Hof des Neuen Rathauses, wo die Rettungsabteilung ihre Wache hatte, gemustert und auf das Heben und Tragen von Verwundeten sowie die Handhabung der Geräte eingeschult. Zu dieser Zeit häuften sich die Schulungsvorträge Dr. Viktor Tschamlers zu einschlägigen Themen: „Verbands- und Transportimprovisationen“, „Verwundetentransporte und Schutzpockenimpfung“, „Labedienst bei durchfahrenden Verwundetentransporten“. Auch eine gemeinsame Übung aller an den Verwundetentransporten Beteiligten wurde durchgeführt.

Als Transportmittel standen der Rettungsabteilung selbst nur drei Pferdewagen in Landauerbauform zur Verfügung. Deswegen musste auch hier die Zivilbevölkerung mit Privatautomobilen, Handbrückenwagen, Räderbahren, Rollstühlen, Tragbahren und anderen Transportgeräten aushelfen. Allerdings mussten auch Wagen, die normalerweise von Pferden bewegt wurden. aus Mangel an Bespannung großteils von der Mannschaft gezogen werden. Zusätzlich richtete man zehn „Nottransportliegewagen“ ein.

Viele dieser Hilfsmittel wurden von Unternehmen und Standesvertretungen beigesteuert. So überließ 1915 der Besitzer der Glasschleiferei Wattens, Daniel Swarovski I, der Rettungsabteilung ihren ersten Sanitätskraftwagen „in freien Betrieb”. Der Wagen war im Wattener Werk ergänzend zu einem dort betriebenen Notlazarett aufgebaut worden. Wegen des kriegsbedingten Zusammenbruches der Außenhandelsbeziehungen war die Glasschleiferei zunehmend dazu übergegangen, Material, das man nicht mehr geliefert bekam, selbst herzustellen. Ein Brauch, der bis heute beibehalten wird. Von der Rettungsabteilung wurde der Wagen noch mit einer zweiten Liege und anderen Ergänzungen versehen. Der Kraftfahrer, die Betriebsstoffe und die Reparaturen wurden vom K. u. k. Kriegsministerium gestellt.

Die Verwundetenzüge kamen bei Tag und bei Nacht. Bereits im zweiten Kriegsjahr 1915 waren 15570 Mann bei 242 Verwundetenabschüben transportiert worden. Gegen Ende 1916 waren es 34425 und bis zum Ende des Krieges 1918 61027 Soldaten. Die Verletzten wurden von der Rettungsabteilung und ihren zivilen Helfern entweder nach Hause, in eines der der Pflege von Verwundeten gewidmeten Spitäler oder von dort zu den Zügen verbracht. Neben dem k. u. k. Garnisonsspital und dem k. u. k. klinischen Reservespital wurden 1917/18 in Innsbruck noch 12 Reservespitäler und 19 Notreservespitäler betrieben. Davon standen das Vereinsreservespital vom Roten Kreuz im Pädagogium (heute: Bundesoberstufenrealgymnasium Fallmerayerstraße ) und das Notreservespital Schloss Mentlberg unter der Verwaltung des Patriotischen Landes- und Frauenhilfsvereines vom Roten Kreuz für Tirol, des Tiroler Ablegers der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz.

Unter den jungen Männern, die sich damals zu den Verwundetenabschüben am Innsbrucker Hauptbahnhof meldeten, befand sich der spätere Obmann der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck Karl Kačičnik. Er war 1915 als Mittelschüler einem der Aufrufe der Rettungsabteilung zum Bahnhofsabschub an den Gymnasien gefolgt. Siebzehn Jahre später wird er in der Festschrift der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck aus Anlass ihres 25-jährigen Bestandsjubiläums einen eindrücklichen Bericht über den Ablauf der Transporte abliefern:

„Der größte Teil der Samariter war 1915 bereits zum Kriegsdienst eingezogen, ein kläglicher Rest versuchte nach besten Kräften den schweren Dienst auch weiterhin klaglos durchzuführen. Nach der ersten großen Isonzoschlacht stieg jedoch die zu bewältigende Arbeit ins Uferlose an. Ein Zug löste den andern ab, jeder war mit Schwerverletzten überfüllt, die, je nach ihrer Verletzung, sofort in die verschiedenen Kliniken und Notspitäler transportiert werden mußten. Am Rückweg zum Bahnhof waren aus den Reservespitälern Leichtverletzte und Genesende zu übernehmen und in einen bereitstehenden Krankenzug zu verladen. Bis zum letzten Platz gefüllt, ging der Zug weiter ins Hinterland ab und schon rollte ein neuer Zug, vom Brenner kommend, in den Bahnhof. So ging es Tag für Tag, Nacht für Nacht. […]

Hin und wieder knurrte wohl der Magen ganz bedenklich – die Verpflegung war nicht sehr reichlich, oft hatten wir überhaupt nicht Zeit zum Essen, doch wer fragte viel danach, es gab ja so viel zu sehen und zu lernen. Dann gab es für uns noch was ganz besonders Feines! Das Reservespital Mentelberg [sic]! Einen Transport dorthin mitmachen zu dürfen, war für jeden eine ganz ungewöhnliche Belohnung. Schloß Mentelberg [sic] war als Lungenheilstätte in Verwendung und aus diesem Grunde mit der Verpflegung nach damaligen Begriffen ganz vorzüglich gestellt. Brachten wir einen Patienten hinaus, dann war es für die von uns als gütige Feen verehrten Pflegerinnen eine besondere Freude, uns Jungens mit allerhand Leckerbissen zu füttern. Ein Stück Schinken oder kalter Braten und Semmeln, richtige weiße Semmeln! Kein Wunder, daß hin und wieder förmliche Kämpfe unter uns entstanden, um die Frage zu klären, wer beim nächsten Transport mitfahren dürfe.

Die zweite Isonzooffensive brachte uns womöglich noch mehr Arbeit, besonders Nachtarbeit; denn der Großteil der Verwundetenzüge kam nach Mitternacht. Drei Tage und Nächte kamen wir nicht mehr nach Hause, nicht aus den Kleidern. In den kurzen Ruhepausen schliefen wir todmüde auf der Tragbahre; kurz vorher starb auf ihr erst ein Schwerverwundeter oder lag ein Typhus- oder Ruhrkranker darauf. Was kümmerte dies uns, wir schliefen traumlos, bis der schrille Pfiff des einfahrenden Verwundetenzuges uns wieder weckte. Einen Schluck schwarzen Kaffee und wir waren wieder zu neuer Arbeit bereit.“

Kačičnik, Karl: Kriegshilfsdienst. In: 25 Jahre Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck, 20 Jahre Tiroler Samariterbund. Innsbruck: Selbstverlag, 1932, S. 28-29.

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Ernst Pavelka