Exponat des Monats 07/2018

Aus Rotkreuz Museum Innsbruck
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Im ⇨ Online-Museum wird jeden Monat ein Gegenstand aus dem ⇨ Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck vorgestellt.

Transportinkubator der Dräger-Werke Lübeck, 1955

Die Überlebensrate von Frühgeborenen hängt direkt mit ihrer Körpertemperatur zusammen. Um die Wärmeerhaltung, die Sauerstoffversorgung, die Zuführung von mit hinreichend Feuchtigkeit angereicherter Luft und den Schutz vor Umwelteinflüssen wie Krankheitserregern von Neugeborenen zu gewährleisten, kommen sog. „Inkubatoren“ (vulgo und veraltet „Brutkästen“) zum Einsatz. Frühe Formen von Brutkästen gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Die medizinische Versorgung der Frühgeborenen erfolgt heute üblicherweise auf neonatologischen Intensivstationen.

Ist eine Neugeborenen-Intensivstation an einem Krankenhaus nicht vorhanden und eine Verlegung der Mutter mit Risikoschwangerschaft vor der Geburt in ein geeignetes Spital nicht schon erfolgt, so werden die Frühgeborenen von Rettungsdiensten transportiert. Die Verlegung erfolgt mit Hilfe von Transportinkubatoren in Hubschraubern oder Rettungswägen. Der Transport wird von Kinderintensivmedizinerinnen oder -medizinern und kinderintensivmedizinischem Pflegepersonal begleitet.

Da die Sterblichkeitsrate von im Inkubator zugelieferten Kindern gegenüber solchen, die „in utero“ unter Verlegung der Schwangeren überstellt wurden, höher ist, stellen Inkubatortransporte an das rettungsdienstliche Personal spezielle Anforderungen: Das hohe Gewicht und der sperrige Aufbau der Geräte kann Schwierigkeiten bei der Verbringung ins oder vom Rettungsfahrzeug bereiten. Die üblicherweise mit Sondersignal durchgeführten Transporte sollten möglichst erschütterungsfrei, durch hinreichend vorausschauende Fahrweise bei gleichmäßiger Geschwindigkeit unter Vermeidung von unnötigen und starken Bremsmanövern sowie langsamer Kurvenfahrt erfolgen, um zu vermeiden, dass Beschleunigungs-, Verzögerungs- oder Fliehkräfte auf das Kind zu stark einwirken.

Das Rote Kreuz Innsbruck erhielt 1955 über die Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz vermutlich als Schenkung des Sozialministeriums seinen ersten Transportinkubator. Es handelt sich um ein frühes Gerät der Fa. Drägerwerk Lübeck. Dräger hatte mit dem Inkubator 1300 im Jahre 1951 seinen ersten Brutkasten gebaut.

Transportinkubator der Fa. Drägerwerk Lübeck, 1955; 58x32x42 cm (BxTxH), Metall, Glas, Kunststoff. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.

Der Inkubator kam am 2. März 1956 bei einer Zwillingsgeburt auf der Flaurlinger Alm erstmals zum Einsatz. Die Verhältnisse gestalteten sich denkbar schwierig: Aufgrund von von Lawinen verschütteten Wegen konnten die Frühgeborenen erst nach stundenlangem Fußmarsch mit dem Rettungswagen in die Klinik verbracht werden, wo sie trotz des Transports im Inkubator verstarben.

Der Transportinkubator besaß einerseits eine elektrische Heizung', die über einen 12-Volt-Anschluss aus der Autobatterie gespeist wurde, andererseits drei mit heißem Wasser befüllte Wärmeflaschen in einem Fach an der Unterseite des Gerätes. Die Wärmeflaschen kamen zum Einsatz, wenn ein Stromanschluss nicht vorhanden war oder bei Außentemperaturen von unter +10 °C in Kombination mit der elektrischen Wärmequelle. Das initiale Aufheizen auf die Idealtemperatur von 29-30 °C in der Kammer dauerte bei einer Außentemperatur von 20 °C unter Verwendung der Elektroheizung 15 bis 20 Minuten, unter Verwendung der Wärmflaschen 30 bis 35 Minuten. Konnte mit der elektrischen Heizung bei gegebener Außentemperatur eine maximale Innentemperatur von 35 °C errreicht werden, so mit den Wärmeflaschen nach 60 Minuten Anheizzeit eine Maximaltemperatur von 31 °C, die nach 90 Minuten wieder zu sinken begann. Die Idealtemperatur von 29-30 °C musste manuell aufrechterhalten und reguliert werden. Dazu konnte die elektrische Heizung entweder auf halbe oder volle Leistung geschaltet und/oder eine oder mehrere Wärmeflaschen je nach Erfordernis entnommen werden. Bei starkem Frost musste das Geräte außerdem in Wolldecken eingewickelt werden. Die Kontrolle der Temperatur erfolgte mittelst Thermometers.

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Transportinkubator der Fa. Drägerwerk Lübeck, 1955: Stecker für 12-Volt-Stromanschluss mit Umschalter zwischen halber und voller Leistung zur Regulierung der Temperatur. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck. Transportinkubator der Fa. Drägerwerk Lübeck, 1955: Wärmeflaschen an der Unterseite des Gerätes. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck
Transportinkubator der Fa. Drägerwerk Lübeck, 1955.
Die Sauerstoffversorgung wurde durch eine an der linken Stirnseite angebrachte 1-Liter-Sauerstoffflasche mit Druckminderer, Injektor und Staubfilter sichergestellt. Der Injektor saugt durch den Staubfilter Außenluft an, die mit dem Sauerstoff vermischt in die Kammer gedrückt wird und dort eine Sauerstoffkonzentration von 40 % herstellt. Die Ausspülung des CO2 in der Ausatemluft erfolgt durch Luftöffnungen, sodass es zu einer maximalen Konzentration von 0,6 % kommt. Wurde kein Sauerstoff benötigt oder stand keiner mehr zur Verfügung, so konnte mit dem Schieberregler auf ausschließliche Frischluftzufuhr umgeschaltet werden.
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Transportinkubator der Fa. Drägerwerk Lübeck, 1955: Der Inkubator besitzt an der Oberseite einen Deckel aus Glas, um das Neugeborene zu bebachten. Durch die Handöffnungen mit Irisblendenverschluss an der Frontseite konnte das Kind versorgt werden. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck. Transportinkubator der Fa. Drägerwerk Lübeck, 1955: Innenansicht mit Heizmatratze späteren Datums. Rechts der Heizkörper, links vermutlich ein Thermometer. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck
Transportinkubator der Fa. Drägerwerk Lübeck, 1955: Bedienungsanweisung auf dem Glasdeckel. - Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Niczky von Niczk: Ambulanzraum im Rettungsheim der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck in der Wilhelm-Greil-Straße 23 mit dem Transportinkubator auf dem Schrank, 1957. – Fotografie: s/w, 24x17 cm (BxH). – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck

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Ernst Pavelka