Exponat des Monats 04/2021

Aus Rotkreuz Museum Innsbruck
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Sanitätskolonne der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck / Fotografie im Rahmen, 1882

Am 12.04.1907 wurde nach zehnjähriger Aufbauarbeit innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck eine Rettungsabteilung gegründet, die ab 01.10.1907 den „ständigen“, öffentlichen Rettungsdienst in Innsbruck stellte. Die Gründung bestand in der Umwandlung einer viel älteren Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck, die nur im Brandfalle mit den anderen Kompanien der Feuerwehr ausrückte, in besagte Rettungsabteilung mit eigenem Statut. Die ursprüngliche Sanitätsabteilung wird in den Annalen der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck im Jahre 1881 erstmals erwähnt. Zur Gründung der Sanitätsabteilung – wenn von einer „Gründung“ im Wortsinn überhaupt gesprochen werden kann – sind nur wenige Quellen erhalten. Eine der Quellen ist eine Gruppenfotografie, welche die Abteilung ein Jahr nach ihrer ersten Erwähnung im Jahre 1882 zeigt.


Die Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck, 1882. – Fotografie im Bilderrahmen: s/w ; 22,5 x 14 (37,2 x 2 x 30,4) cm (B x T x H). – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.

Das Bild

Die Aufnahme stellt das älteste Archivale des ursprünglichen Bestandes des Archivs der Freiwilligen Rettung Innsbruck dar und ist darin das älteste Archivale mit unmittelbarem Bezug zur Gründungsgeschichte des Roten Kreuzes Innsbruck. Deutlich sichtbar handelt es sich um eine in einem Fotostudio gestellte Aufnahme. Wand und Vorhang mit dem neoklassizistischen Pilaster im Hintergrund dürften gemalte Kulisse sein. In welchem Studio das Bild entstanden ist oder wer gar der Fotograf war, ist nicht überliefert. In den im Bestand der Berufsfeuerwehr Innsbruck im Innsbrucker Stadtarchiv erhaltenen Quellen sind weitere Hinweise auf die Anfertigung der Aufnahme nicht zu finden. Eventuell gibt es einen Zusammenhang zwischen der Herstellung der Fotografie und dem im August 1882 in Innsbruck stattgefunden habenden dreifachen Feuerwehrfest aus Anlass des 25-jährigen Bestandsjubiläums der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck, des X. Deutsch-tirolischen Feuerwehr-Gautages sowie des II. Österreichischen Feuerwehrtages. Teil des Programms war eine Feuerwehrausstellung in der Turnhalle, bei der auch „Sanitätsrequisiten und Apparate zur persönlichen Sicherheit“ (StAI, 07.08 Berufsfeuerwehr Innsbruck: Jahresbericht der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck, 1882, S. 30) gezeigt wurden.

Rahmung und Beschriftung des Bildes sind sicherlich erst lange, nachdem die Fotografie entstanden ist, erfolgt. Ein Vergleich von Rahmen und Handschrift mit jenen einer anderen gerahmten Fotografie deutet auf das Jahr 1907 hin, wenn man veranschlagt, dass die Referenzfotografie ebenfalls schon 1907 gerahmt wurde. Nachdem diese vom Fassmaler und Vergolder Eduard Sailer in der Andreas-Hofer-Straße 34 gerahmt worden war, kann der Zeitraum der Rahmung und Beschriftung grob mit 1907 – 1926 angesetzt werden. Ob es sich bei der Rahmung des Bildes, wie sie sich uns heute präsentiert, um die erste Rahmung handelt, liegt ebenfalls im Dunkeln. – Die Beschriftung ist jedenfalls historisch präzise: Die Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck setzte sich im Jahre 1882 tatsächlich aus den angeführten neun Mitgliedern zusammen – Vorausgesetzt man sieht davon ab, dass den Wehrmännern Julius Reddersen und Johann Pitschmann jeweils falsche Vornamen angedichtet wurden sowie dass sich „Johann Pirk“, wie der Name auf dem Karton, auf den die Fotografie aufgeklebt wurde – es handelt sich also nicht um eine Rahmung mit Passepartout –, erscheint, eigentlich „Birk“ schrieb (Vgl. StAI, 07.08 Berufsfeuerwehr Innsbruck: Jahresbericht der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck, 1882, S. 69).

Das Personal

Die Sanitätsabteilung wies im Gründungsjahr 1881 einen Personalstand von vier Sanitätsmännern und drei Korpsärzten auf, ein Jahr später war dieser bereits auf neun Mann angewachsen. Auf der Aufnahme ist deutlich zu sehen, dass die abgebildeten, sich zum Teil recht lässig gebenden Herren, nicht mehr die Jüngsten sind. Tatsächlich setzte sich die Mannschaft hauptsächlich aus alten, ausgedienten Feuerwehrmännern zusammen. Ältere Wehrmänner wurden damals normalerweise in der „Ordnungsmannschaft“, die Schaulustige von den Brandplätzen fernzuhalten und gerettete Gegenstände vor Dieben zu schützen hatte, eingesetzt. Ab Gründung der Sanitätsabteilung stand ihnen offensichtlich auch diese offen. Noch 1896 waren von neun Sanitätsmännern zwei Mitglieder in den 1870er- und drei in den 1880er-Jahren in die Feuerwehr eingetreten. Die Überalterung der Kolonne war der Grund, warum Branddirektor Viktor Baron Graff dieser im Rahmen einer Reorganisation im Jahre 1897 nicht nur eine Ausbildungs-, sondern auch eine Personalreform angedeihen ließ, welche die Mannschaft verjüngen sollte und die drei ältesten Gründungsmitglieder, den Kaufmann Leo Stainer, den Konditor Hans Munding und den Metzger Hans Hörtnagl aus dem ersten Feuerwehrzug in die Sanitätsmannschaft übertreten ließ.

Alois Witting

[[Bild:AV-FOT-FOT2019-06-09-03 DIG-20210418150606 wittingwarte schoenberg pavelka.png|thumb|right|250px|link=https://museum.roteskreuz-innsbruck.at/images/4/4c/AV-FOT-FOT2019-06-09-03_DIG-20210418150606_wittingwarte_schoenberg_pavelka.png%7CDie von Alois Witting 1890 gestiftete [Aussichtswarte in „Oberschönberg“, wie man damals zu sagen pflegte. – Ernst Pavelka, 2019. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.]]

Als Zweiten von rechts zeigt uns die Fotografie Alois Witting. Der spätere Obmann der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck Karl Kačičnik schreibt 1932, Alois Witting wäre der „Obmann“ der Sanitätsabteilung gewesen. Ob er damit die Funktion eines Sprechers, eines Kommandanten o. ä. ansprechen oder nur einen historisch nicht korrekten Zusammenhang zu der ab 1907 bestehenden vereinsrechtlichen Funktion des Obmannes des Roten Kreuzes Innsbruck herstellen wollte, ist nicht klar. Aufgrund des unmittelbaren Kontakts, den Kačičnik noch zu Gründungsmitgliedern der Rettungsabteilung pflegte, wird man aber davon ausgehen müssen, dass zumindest die Information, Alois Witting hätte in der Sanitätsabteilung eine Führungsrolle, vielleicht im Sinne eines Kommandanten eingenommen, jedenfalls zutreffend ist. In der Personalstandsliste der Jahresberichtes für 1881 der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck wird Alois Witting ebenso wie in jener des Jahres 1882 allerdings als einfacher Sanitätsmann geführt. Die Funktion eines Abteilungsführers, anscheinend analog zu den Zugs- oder Rottenführern der eigentlichen Feuerwehrzüge, wird erst ab dem Jahr 1894 gelistet. Ab 1883 kommt Witting als Mitglied der Sanität nicht mehr vor, wohl aber in der Ordnungsmannschaft.

Alois Witting trat 1865 in das Korps der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck ein. Er ist identisch mit dem in Innsbruck lebenden Eigentümer einer „Galanteriewaren-Handlung“ in der Maria-Theresien-Straße 5, der später an diesem Standort ein „Touristen- und Jäger-Ausrüstungsgeschäft“ betreiben und sich in diesem Zusammenhang auch als Tierpräparator betätigen wird. 1889 kaufte dessen Gattin Wilhelmine das als „Schizenlehen“ bereits auf das 17. Jhd. zururückgehende Ruechenanwesen in Schönberg. Der begeisterte Jäger Alois baute den Bauernhof zur „Villa Jagerhof“ um, die er bis 1901 als Gasthaus betrieb und dann verkaufte. 1890 stiftete er die noch heute existierende Wittingwarte in der Nähe des heute nicht mehr erhaltenen Jagerhofes. Es handelt sich um die einzige unter Denkmalschutz stehende Aussichtswarte in Österreich.

Die Ausrüstung

Auf der Fotografie zu erkennen sind außerdem Teile der Ausrüstung. Diese bestand im Jahre 1882 aus „9 Sanitäts-Armbinden, 1 komplett eingerichtete[n] Apotheke mit einer Tragbahre, Schienen und Verbandtournister [sic]“ sowie den „Instrumente[n] zu einer kompleten Musikbanda“. Auf dem Boden stehend, unschwer zu sehen sind offensichtlich die „Tragbahre“ sowie entweder der „Verbandstournister“ oder die „Apotheke“, womit sicherlich eine mit Medikamenten bestückte Tasche gemeint ist. Bauform und das, was an Inhalt sehr schlecht zu identifizieren ist, sprechen eher für den Verbandstornister. Im Vordergrund auf dem Boden liegend könnte es sich um Schienen und wenn es sich so verhält, wohl um Cramerschienen handeln. Tragbahre, Schienen und Verbandstornister waren erst im Gründungsjahr dazugekommen, die Armbinden, die Apotheke und die Instrumente hatte es bereits seit 1879 gegeben. Wollte man auf dem Foto abbilden, was an Ausrüstung gerade neu hinzugekommen war? Dass die Armbinden bereits zwei Jahre vor dem erstmaligen Erscheinen der Sanitätsabteilung im Inventar der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck bereits gelistet sind, könnte übrigens darauf hindeuten, dass bereits 1879 Feuerwehrmänner die Korpsärzte bei Einsätzen als Sanitäter unterstützt haben, wenn auch eine eigene Sanitätsmannschaft noch nicht existiert haben mag.

Auffallend an den Armbinden ist zudem, dass sie bereits das Rote Kreuz tragen. Der Umstand ist insofern erstaunlich, als erst am 15.05.1892 ein Abkommen zwischen der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz und dem Österreichischen Feuerwehrausschuss geschlossen wurde, das den Feuerwehren im Mobilisierungsfall gegen die Übernahme der Versorgung von Militärangehörigen im Hinterland das Recht einräumte, das Rotkreuz-Zeichen zu führen. Er nährt aber den Verdacht, dass die Gründung der Sanitätsabteilung bei der Feuerwehr durch die Gründung der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz im Jahre 1880 in nicht näher zu klärender Weise evoziert oder befördert worden sein könnte. Selbst wenn zwischen dem Auftreten der Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck und Gründung der ÖGvRK eine nur zufällige annäherungsweise zeitliche Korrelation bestehen sollte, zeigt die Verwendung des Roten Kreuzes doch, dass schon damals ein enger Zusammenhang zwischen Sanitätswesen und Rotem Kreuz gesehen wurde, ohne dass man es mit etwaigen Regeln für die Verwendung des Rotkreuz-Zeichens wohl zu genau genommen hätte.


Ernst Pavelka, 14.04.2021