1938-1945 Die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck als Bereitschaft Innsbruck des Deutschen Roten Kreuzes

Aus Rotkreuz Museum Innsbruck
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Die Auflösung der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz am 23.05.1938

Als am 12. und 13. März 1938 Truppen des nationalsozialistisch regierten Deutschen Reiches die Österreichische Grenze überschritten, um so den Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland zu vollziehen, befand sich unter ihnen der Reichsarzt-SS Ernst Robert Grawitz. Grawitz war im Dezember 1936 geschäftsführender Präsident des Deutschen Roten Kreuzes geworden. Als solcher führte er das operative Geschäft, während der eigentliche Präsident, Prinz Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gothawie Grawitz hochgradiger Nationalsozialist –, lediglich repräsentative Aufgaben wahrnahm. Jetzt, im März 1938, nahm Ernst Robert Grawitz die Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz in Augenschein, um die Übernahme derselben durch das Deutsche Rote Kreuz vorzubereiten. Dort musste er, wie er nach Berlin meldete, feststellen, „dass die Leitung der Österreichischen Rotkreuz-Gesellschaft sich in Händen solcher Persönlichkeiten befindet, die für uns völlig untragbar sind. Es befinden sich z.B. im Vorstand dieser Gesellschaft an einflussreichster Stelle mehrere Volljuden, die zum Teil gleichzeitig Freimaurer sind. Der Präsident selbst ist Exc. Dr. Max Wladimir Baron Beck, 83 Jahre, Philosemit, freimaurerisch eingestellt und angeblich Legitimist. Sein Sanitätschef für das Österreichische Rote Kreuz, gleichzeitig persönlicher Berater und behandelnder Arzt, ist der Volljude und Freimaurer Hofrat Dr. Isidor Lamberger.“ (zit. n. Morgenbrod, Birgitt; Merkenich, Stephanie: Das deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945. Paderborn u.a. 2008, S. 177) Zwei Tage nach dem Besuch von Ernst Robert Grawitz traten Beck und Lamberger von ihren Ämtern zurück.

Man muss die Äußerung von Ernst Robert Grawitz vor dem Hintergrund seines Zieles lesen. Dieses bestand darin, einen Prozess der Überformung des Deutschen Roten Kreuzes nach nationalsozialistischen Prinzipien weiterzutreiben, der seit der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 ohne erkennbaren Widerstand und zum Teil in willfähriger Partnerschaft von Seiten des Deutschen Roten Kreuzes sukzessive im Gange war. Er erfolgte in zwei wesentlichen Grundlinien: Einerseits wurde die Arbeit des DRK auf seine vermeintliche Kernaufgabe, die Kriegsverwundetenfürsorge, reduziert. Diese sah man konkret im Rahmen des Wehrmachtssanitätsdienstes verwirklicht. Es wurden dazu jene Bereiche des Deutschen Roten Kreuzes, welche in Friedenszeiten aufgebaut worden und vor allem in der Volksfürsorge, aber auch in der Jugendarbeit angesiedelt waren, zugunsten einer Übernahme durch entsprechende NS-Organisationen (z. B. die NS-Volksfürsorge, Hitlerjugend, Bund Deutscher Mädel) zurückgedrängt. Denn die Nationalsozialisten hatten die kriegswichtige Bedeutung des Deutschen Roten Kreuzes rasch erkannt. Andererseits wurde in die Organisationsstruktur das Führerprinzip eingeführt, sodass sich zügig ein Stab linientreuer Nationalsozialisten innerhalb des DRK etablieren konnte. Dem entsprach, dass Ernst Robert Grawitz im Sinne seiner Doppelfunktion als Reichsarzt-SS und geschäftsführender Präsident des DRK fast sämtliche Führungspostionen im DRK-Präsidium mit Mitgliedern der SS besetzte. Dabei war man peinlich darauf bedacht, den Eindruck zu vermeiden, das DRK wäre zu nahe an den NS-Staat oder seine Behörden herangerückt, um seine internationalen Beziehungen, auf die man gerade in Kriegszeiten angewiesen war, nicht zu gefährden oder das Recht zum Führen des Rotkreuz-Zeichens nicht zu verlieren.

In das derart verfasste Deutsche Rote Kreuz wurde nun die Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz mit Verordnung des Reichsinnenministeriums vom 23.5.1938 eingegliedert und somit aufgelöst. In Folge wurden im Juli 1938 die Landesstellen XVII (Wien) und XVIII (Salzburg) des Deutschen Roten Kreuzes gegründet und die einzelnen Dienststellen der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz dem Deutschen Roten Kreuz inkorporiert.

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Literatur: Morgenbrod, Birgitt; Merkenich, Stephanie: Das deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945. Paderborn u.a. 2008.

Die Auflösung der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck und der Nationalsozialismus

Frühestens am 4.8., spätestens am 20.09.1938 wurde auch die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck behördlich aufgelöst. Sie wurde vom Deutschen Roten Kreuz übernommen und der Landesstelle XVIII in Salzburg, die für die früheren Bundesländer Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg sowie für das Südburgenland zuständig war, zugeordnet. Der Name der Rettungsgesellschaft änderte sich in „Bereitschaft/Ortsbereitschaft Innsbruck des Deutschen Roten Kreuzes“. Die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck hatte aufgehört, als eigenständiger Verein zu existieren. In seiner letzten Sitzung am 20.9.1938 fasste der Engere Ausschuss den Beschluss, „den Dienstbetrieb der freiw- [sic] Rettungsgesellschaft in das Deutsche Rote Kreuz zu überführen und die Geräte, [sic] sowie die Einrichtungen dem Deutschen Roten Kreuz zu übergeben“.

Auch der Realbesitz wäre in das Eigentum des Deutschen Roten Kreuzes übergegangen, wenn dieser durch die Hausbauten nicht nach wie vor hypothekarisch belegt gewesen wäre. Da das DRK verschuldete Realwerte aber nicht übernehmen durfte und die Führung von Wirtschaftsbetrieben in seinen Satzungen nicht vorgesehen war, konnte die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck die Betriebe vor dem Zugriff des DRK retten: Der gesamte Realbesitz wurde der Stadt Innsbruck treuhändisch übergeben. Man machte sich dazu § 18 der Satzungen der Freiwilligen Rettungsgesellschaft zunutze. Dieser sah vor, dass der Ausschuss im Falle der Auflösung des Vereins dessen bewegliches und unbewegliches Vermögen der Stadt Innsbruck zu übergeben hatte. Sollte sich ein Verein gleichen Zweckes wie jener der Freiwilligen Rettungsgesellschaft innerhalb von zehn Jahren bilden, so wurde die Stadt Innsbruck verpflichtet, diesem das Vermögen auszuhändigen; andernfalls sollte es in ihr Eigentum übergehen.

Die Übernahme der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck erfolgte wahrscheinlich im Zuge eines Besuches des DRK-Oberstführers Dr. Friedrich Wilhelm Brekenfeld vom DRK-Präsidium in Potsdam-Babelsberg in Innsbruck. Brekenfeld war seit dem 1.7.1937 im aktiven DRK-Dienst, Führer der Landesstelle III des Deutschen Roten Kreuzes (Brandenburg ohne Berlin), NSDAP-Mitglied, Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse, Träger des Verwundetenabzeichens und wird als strammer Nationalsozialist beschrieben (Bresgott, Hans-Christian, Archiv des Deutschen Roten Kreuzes Berlin: E-Mail an Ernst Pavelka vom 19.5.2015 17:43). Von ihm ist die Bemerkung erhalten, das DRK sei in Aufgabe und Gesinnung, Tun und Handeln ein „Nationalsozialistisches Sanitätskorps, auch wenn es sich mit Rücksicht auf die Genfer Konvention Deutsches Rotes Kreuz nennt“ (zit. n. Morgenbrod, Birgitt; Merkenich, Stephanie: Das deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945. Paderborn u.a. 2008, S. 443).

Im Kameradschaftsbuch der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck hinterließ Brekenfeld am 4.8.1938 einen handschriftlichen Eintrag, nach dem das Deutsche Rote Kreuz sich zur Übernahme der „vorbildlichen Rettungsgesellschaft Innsbruck beglückwünsch[e]“, der der Führer ihre „Ursprungsaufgabe, Hilfsorganisation des Wehrmachtssanitätsdienstes zu sein, wiedergegeben“ habe. Damit gab Brekenfeld der Innsbrucker Rettungsgesellschaft eines der wichtigsten Ziele, welches die Nationalsozialisten seit 1933 mit der ideologischen Überformung des Deutschen Roten Kreuzes verfolgt hatten, mit auf den Weg.

Der nationalsozialistischen Überformung des Deutschen Roten Kreuzes verdankt sich eine der augenfälligsten Änderungen bei der nunmerigen Ortsbereitschaft Innsbruck des Deutschen Roten Kreuzes: Ab der Übernahme war nun ein Nachweis über die Deutschblütigkeit jedes Mitglieds wie seines Ehepartners erforderlich, um in der DRK-Ortsbereitschaft Innsbruck weiterhin tätig sein oder in sie überhaupt eintreten zu können. Denn bereits am 1.6.1933 hatte das Deutsche Rote Kreuz mittelst Rundschreibens an die Mitglieder Juden von allen Funktionen ausgeschlossen:

„Wo Nichtarier in bezahlten Stellungen sind, ist ihnen unter Anwendung des Beamtengesetzes auf den nächsten Termin zu kündigen. In den Sanitätskolonnen und Schwesternschaften dürfen keine Juden, Jüdinnen oder Judenstämmlinge sein. Zu den Lehrkursen dürfen Juden nicht zugelassen werden.“

Rundschreiben Nr. 244 des Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes (damals noch Joachim von Winterfeldt-Menkin) vom 1. Juni 1933, zit. n. Morgenbrod, Birgitt; Merkenich, Stephanie: Das deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945. Paderborn u.a. 2008, S. 88-89.

Man berief sich bei dieser Bestimmung, der schon im Mai die Direktive, jüdischstämmige Personen nicht mehr in Vorstandsfunktionen zu wählen, vorausgegangen war, auf den „Arierparagraphen“ des Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933. Der Nachweis über die Deutschblütigkeit der Mitglieder sowie ihrer Ehepartner, nicht aber die ausdrückliche Formulierung des Ausschlusses von Juden, wurde in Folge nur in die Regelwerke der Teilorganisationen des DRK, nicht aber in die Satzungen geschrieben, um internationales Aufsehen über den Ausschluss jüdischer Mitglieder vom DRK möglichst zu vermeiden. Man wusste, dass eine solche Bestimmung eine klare Verletzung der Grundsätze des Roten Kreuzes darstellte. Unbeschadet dessen war die Reaktion des Internationalen Roten Kreuzes verhalten, als es von den neuen Bestimmungen beim DRK erfuhr. Im November 1933 verkündete dann Paul Hocheisen, Chef der SA-Sanitätskolonnen und im selben Jahr als Beauftragter für die Gleichschaltung des DRK zum Deutschen Roten Kreuz gekommen, den „ausnahmslosen Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus den Sanitätskolonnen“ (Morgenbrod, Birgitt; Merkenich, Stephanie: Das deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945. Paderborn u.a. 2008, S. 89-90).

Doch schon bevor die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck vom Deutschen Roten Kreuz übernommen worden war, hatte es Mitglieder mit nationalsozialistischen Bestrebungen innerhalb ihres Korps gegeben, wenn deren Gesinnung vor März 1938 auch noch nicht offen zu Tage getreten war. Der Jahresbericht für 1937, der im Mai 1938 und damit nach dem Anschluss erschien, erwähnt einen Kreis um den Gruppenführer Josef Baur, der ab November/Dezember 1937 den gesamten Kamaradschaftsausschuss stellte. Der 1896 geborene Josef „Pepi“ Baur war 1929 der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck beigetreten und in der Monatsversammlung vom 16.11.1937 in der Nachfolge von Franz Rohm zum Obmann des Kameradschaftsausschusses gewählt worden. Ab dem Anschluss Österreichs war er bemüht, ein Programm umzusetzen, welches einerseits darin bestand, die Kameraden in nationalsozialistischer Denkungsart zu schulen, um „frischen nationalsozialistischen Geist in die Reihen der Samariterschaft zu tragen“ (Jahresbericht 1937, S. 7); andererseits sollte die Ausbildung um soldatische Aspekte erweitert werden, „damit die Samariter hinter den militärisch gut geschulten SS- und SA-Formationen nicht zurückstehen müssen“ (Jahresbericht 1937, S. 7). An den Kameradschaftsabenden sollte zudem nationalsozialistisches Liedgut gelehrt und gesungen werden. Inwiefern sich dieses Programm tatsächlich umsetzen ließ und inwieweit es die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck ideologisch zu infiltrieren vermochte, ließ sich aufgrund der dürftigen Quellenlage zu den Jahren 1938-1945 nicht klären. Auch das weitere Schicksal von Josef Baur ist unbekannt. In einer Personalliste aus dem Jahre 1964 wird er lapidar als mit 1945 ausgetreten geführt. Im Rahmen der Entnazifizierungsverfahren 1946/47 wurde er als minderbelastet eingestuft, da er innerhalb der NSDAP niemals eine politische Funktion ausgeübt hatte.

Personell hatte der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich insofern Folgen, als mit 15.3.1938, also drei Tage nach dem Anschluss, KR Josef Dinkhauser, stellvertretender Obmann der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck, per Schreiben an den Engeren Ausschuss der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck aufgrund seiner politischen Zugehörigkeit von seinen Funktionen zurücktrat und anscheinend auch aus der Gesellschaft ausschied. Dinkhauser war bei der Gemeinderats-Ergänzungswahl im April 1933 als Kandidat für den Bürgerlichen Ständebund von Tirol angetreten [Hye, Franz-Heinz; Justic, Josefine: Innsbruck im Spannungsfeld der Politik 1918-1938. Berichte – Bilder – Dokumente (Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs; Neue Folge, Bd. 16/17). Hrsg. v. Stadtmagistrat Innsbruck. Innsbruck 1991, S. 200]. In der im Engeren Ausschuss ob des Briefes Dinkhausers ausgebrochenen Diskussion, hatten u. a. Josef Baur, Chefarzt Dr. Viktor Tschamler und Karl Kačičnik, damals Kassier, die Auffassung vertreten, dass ein Ausscheiden Dinkhausers aus der Rettungsgesellschaft unumgänglich sei. Schriftführer Hans Müller und Obmann Leo Stainer vertraten demgegenüber, dass der Rücktritt Dinkhausers nicht besonders dringlich sei. Ob der Ausschluss von zwei weiteren Mitgliedern in derselben Sitzung politische Gründe hatte oder nicht, konnte bis jetzt nicht erhoben werden. Der Ausschluss erfolgte aber auf Antrag des nationalsozialistisch durchsetzten Kameradschaftsausschusses.

Eigenartig mutet an, dass einen Monat später, nämlich in der letzten Jahreshauptversammlung der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck vom 15.4.1938, zum einen Dinkhauser wieder zum Obmann-Stellvertreter gewählt wurde und zum andern eines der beiden in der Sitzung des Engeren Ausschusses vom 15.3.1938 ausgeschlossenen Mitglieder wegen seiner Verdienste geehrt wurde. Wie dies zu interpretieren ist, ließ sich nicht klären. Vielleicht hatte man Dinkhauser überreden können, seinen Schritt nocheinmal zu überdenken, vielleicht haben wir es aber auch mit etwas zu tun, das man gemeinhin als „Höttinger Nudel“ bezeichnet, in diesem Falle mit einer bauernschlauen Reaktion auf irgendein Ereignis inmitten der hochgradig angespannten politischen und geistigen Situation dieser Tage, zu der man sich aus unbekannten Gründen veranlasst sah. Jedenfalls hielt Dr. Viktor Tschamler in der in Rede stehenden Sitzung des Engeren Ausschusses in Anschluss an die Diskussion um das Ausscheiden KR Josef Dinkhausers eine Rede auf den Sieg der Deutschen Sache, die mit einem dreifachen Sieg-Heil und einem Treuebekenntnis zum Führer und zur Deutschen Nation endete. Danach wurde der Ankauf eines Führerbildnisses für das Sitzungszimmer beschlossen.

Am Beginn eines summarischen Jahresberichtes über die Jahre 1937 bis 1947, der übrigens nicht identisch ist mit dem oben zitierten, 1938 erschienen Jahresbericht für 1937, beschäftigt sich die Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck in einer Weise, die unschwer als Rechtfertigung erkannt werden kann, mit der Schuldfrage:

„Der grauenhafte Krieg liegt hinter uns. Die hochgehenden Wogen politischer Wirrnisse sind verebbt, wie haben Abstand gewonnen zu all dem Schlimmen, das jahrelang unsere Herzen und Gemüter bewegte. Die Tragik ausschließlich subjektiven Denkens und Handelns wurde erkannt und ist einer normalisierenden Objektivität im Gesamtablauf des täglichen Lebens gewichen. […]
Wir müssen uns im Zuge dieser läuternden, objektiven Denkungsart eine Frage vorlegen: Haben wir, Diener des Roten Kreuzes, in den Jahren der Wandlungen gesündigt, haben wir die Ziele unseres Symbols verraten? Wir sind glücklich, diese Frage mit ehrlichem Herzen verneinen zu können. Jeder echte Samariter, mag er die Schrecken des Bombenkrieges in der Heimat erlebt haben, mag er da oder dort im Kriegseinsatz gestanden sein, hat geholfen, wann und wo er helfen konnte, ist Samariter geblieben und ist es heute noch.“

Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck (Hg.): 31.-41. Jahresbericht der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck für die Jahre 1937-1947. Innsbruck 1947, S. 1.

Die Bereitschaft Innsbruck des Deutschen Roten Kreuzes im Zweiten Weltkrieg

Mit dem Überfall Großdeutschlands auf Polen brach am 1.9.1939 der Zweite Weltkrieg aus. Bereits am 26.8. wurden achtzehn Mitglieder der Ortsstelle Innsbruck des DRK zum Kriegssanitätsdienst eingezogen, später wurden es immer mehr. Die Ausfälle konnten zunächst durch Angehörige der Hitlerjugend (HJ) ausgeglichen werden.

Bei der 1926 aus Vorgängerorganisationen hervorgegangenen Hitlerjugend handelte es sich um die Jugendorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. In vielerlei Hinsicht kann man sie zu den damals sehr verbreiteten bündischen Jugendverbänden rechnen, sie unterschied sich von anderen, ähnlich organisierten Jugendbünden aber u. a. durch die enge ideologische Bindung an die Mutterpartei. Der österreichische Ableger wurde 1927 ins Leben gerufen. Als am 19.6.1933 die NSDAP unter dem austrofaschistischen Regime von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß verboten wurde, traf dieses Schicksal auch die Hitlerjugend. Einige Gruppen der HJ agierten allerdings bis zum Anschluss Österrreichs an das Deutsche Reich illegal weiter. Mit der Zweiten Durchführungsverordnung vom 25.03.1939 zum Gesetz über die Hitlerjugend (1.12.1936) waren grundsätzlich alle Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren zum Dienst bei der Hitlerjugend oder beim Bund deutscher Mädel verpflichtet worden. Die Mitgliedschaft endete mit dem 18. Lebensjahr. Die Hitlerjugend hörte 1945 zu existieren auf.

Wie das Aufnahmeprozedere für den Rettungsdienst verlief, nämlich ob die Burschen von der Bereitschaft Innsbruck angefordert, von dritter Stelle zugeteilt wurden oder sich selbst meldeten, konnte noch nicht eruiert werden. Es gibt vage Hinweise darauf, dass sie sich selbst meldeten. Die damals Sechzehnjährigen leisteten ihren Dienst jedenfalls neben dem Einsatz bei Kriegsverwundetentransporten vom und zum Bahnhof im normalen Rettungs- und Krankentransportdienst ab. Zusätzlich zu den Hitlerjungen wurden in den Kriegsjahren mehr und mehr Frauen als Hilfsschwestern in die Reihen der Rettung aufgenommen. Auch sie wurden wo notwendig immer wieder auch im Rettungs- und Krankentransportdienst eingesetzt, was nach dem Krieg zu Diskussionen mit Schwestern führte, die dies auch weiterhin tun wollten.

Wie schon während des Ersten Weltkriegs bestand die Kriegsdienstleistung der Ortsbereitschaft Innsbruck des Deutschen Roten Kreuzes, die neben dem normalen Rettungs- und Krankentransportdienst durchgeführt wurde, vorerst in der Abwicklung von Verwundetentransporten vom und zum Innsbrucker Hauptbahnhof. Dabei wurden Lazarettzüge ent- und für den Weitertransport der Verwundeten beladen. In einer am Bahnhof eingerichteten Betreuungsstelle versahen Hilfsschwestern über 24 Stunden täglich Dienst. Versorgt wurden auch auf Heimaturlaub oder an die Front durchreisende Soldaten. In der Bahnhofshalle wurde ihnen gegen Verpflegungsscheine an langen Tischen sitzend, Suppe, Brot und Ersatzkaffee serviert. Die Schwesternhelferinnen mussten außerdem die Kleidung und das Geschirr waschen.

Mit Beginn des Bombenkrieges im Dezember 1943 konnten die Transporte der Verwundeten nur noch bei Nacht durchgeführt werden, was durch die unregelmäßigen Zugsfolgen oft stundenlanges Warten bei Dunkelheit und Kälte bedeutete. Nachdem der Innsbrucker Hauptbahnhof als strategisches Hauptziel der alliierten Luftangriffe fast vollständig zerstört wurde, verschärfte sich die Situation, weil die Kriegsversehrten nun zum Haller Bahnhof überführt werden mussten. Gleichzeitig war kein einziges Gebäude der Innsbrucker Klinik unbeschädigt geblieben. Die Transporte erfolgten nun in Ausweichspitäler in Seefeld, Natters und Volderwaldhof. Gerade im Winter stellten dabei die oftmals verschneiten und vereisten Bergstraßen größte Schwierigkeiten dar. Während der Fliegeralarme leisteten die Sanitäter und Hilfsschwestern Dienste in den zahlreichen, in die beidseitigen Talhänge getriebenen Luftschutzstollen. Insgesamt versorgte die Ortsbereitschaft Innsbruck des Deutschen Roten Kreuzes während insgesamt 22 Luftangriffen auf Innsbruck (inkl. Angriff auf den Verschiebebahnhof Thaur vom 14.2.1945) 3.117 Verletzte.

Mit dem Kriegsende im Frühjahr 1945 endete die Versorgungsleistung für Militärangehörige nicht schlagartig. Im ehemaligen Arbeitserziehungslager Reichenau wurden von den Rot-Kreuz-Schwestern in 373 Tag- und 428 Nachtdiensten tausende von Heimkehrern betreut. 37 Heimkehrerzüge wurden versorgt und 100 kranke Heimkehrer von Schwestern und Sanitätern aus einem Lazarett in Jugoslawien heimgeholt. Dazu kam die Versorgung durchreisender Heimkehrer mit Hilfe fliegender Ambulanzen, die zu jedem Transport gestellt wurden, sowie die Betreuung von Rücktransporten Ausgewiesener oder von Bombenflüchtlingen. Spenden des amerikanischen Roten Kreuzes wurden verteilt und in vier Transporten über tausend Kinder auf ihrem Weg zur Erholung in der Schweiz an die Grenze gebracht.

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Ernst Pavelka