Exponat des Monats 08/2021

Aus Rotkreuz Museum Innsbruck
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Resusci Andy / Åsmund S. Lærdal, 1960er-Jahre

Laerdal Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Aufblasbares Modell zur Übung von Herzdruckmassage und Mund-zu-Mundbeatmung, 150 x 37 x 22 cm (L x B x H). – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Wie bei modernen Übungsmodellen ließ sich der Hals überstrecken und gab nur bei korrekt überstrecktem Hals den Atemweg in die diesesfalls artifizielle Lunge frei, sodass durch Heben des „Brustkorbs“ überprüft werden konnte, ob die Mund-zu-Mund-/Mund-zu-Nase-Beatmung richtig durchgeführt wurde.
Etikett auf dem Transportkoffer für Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.

In den 1950er- bis Anfang der 1960er-Jahre vollzog sich der Übergang von klassischen Methoden sogenannter „Künstlicher Atmung“ zur Wiederbelebung von Patienten im Atem-Kreislauf-Stillstand zur modernen Kardiopulmonalen Reanimation (CPR = „Cardiopulmonary Resuscitation, Herz-Lungen-Wiederbelebung).

Von den klassischen Methoden künstlicher Atmung zu Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage

1961 sahen die Empfehlungen des ersten „International Symposium on Emergency Resuscitation“, das von 21. bis 24.08.1961 in Stavanger (Norwegen) stattgefunden hatte, erstmals in der Geschichte der Wiederbelebung Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung vor. Das Ereignis kam einer weltweiten, offiziellen Einführung gleich, nachdem schon 1957 das us-amerikanische National Research Council der National Academy of Sciences die Mund-zu-Mund-Beatmung zuerst 1957 für Babies und Kleinkinder, 1958 auch für Erwachsene empfohlen hatte. Die Empfehlungen des International Symposium on Emergency Resuscitation umfassten aber nicht nur die Maßnahmen selbst, sondern bereits die Ausbildung sowohl von medizinischem Personal als auch von „Schulkindern und der allgemeinen Öffentlichkeit“ in der Mund-zu-Mund- und der Mund-zu-Nasen-Beatmung – Herzdruckmassage sollte vorerst noch medizinischem Fachpersonal vorbehalten bleiben – sowie deren Aufnahme in den Schulunterricht. Die Empfehlungen der Tagung gaben somit auch den Anstoß zur Entwicklung der sogenannten „Breitenausbildung“. Organisationen, die mit der Durchführung der Schulungen betraut waren, sollten geeignete Übungsmodelle für den Unterricht erhalten. .

Resusci Andy – Aufblasbares anatomisches Modell zur Übung der Kardiopulmonalen Reanimation

Resusci Andy ist baugleich mit Resusci Anne, des ersten auf den Markt gekommenen Übungsmodells zur Kardiopulmonalen Reanimation für Laien. Der norwegische Spielzeughersteller Åsmund S. Lærdal, der auch Wundmoulagen für Übungszwecke anfertigte, hatte die Puppe Ende der 1950er-Jahre auf Anregung der Norwegischen Gesellschaft für Anästhesie gemeinsam mit dem schwedischen Anästhesisten Bjørn Lind entwickelt. 1960 stellte er sie in den Vereinigten Staaten vor, wo er u. a. mit James Elam und Peter S. Safar, die in den 1950er-Jahren die Überlegenheit der Mund-zu-Mund-Beatmung gegenüber den klassischen Formen künstlicher Atmung nachweisen hatten können, zusammentraf. Gemeinsam wurde die Puppe weiterentwickelt und u. a. mit unter der künstlichen Lunge angebrachtem Metallbügel, durch den der Widerstand, den der Körper dem Druck, der bei der Herzdruckmassage auf diesen ausgesetzt wird, entgegensetzt, simuliert wurde. Dies war inbesondere relevant, nachdem Guy Knickerbocker, James Jude und William Kouwenhoven 1960 nachgewiesen hatten, dass mit Hilfe externer Herzdruckmassage der Kreislauf eines Patienten im Kreislaufstillstand suffizient aufrechterhalten werden konnte. Peter Safar und Archer S. Gordon vermochten ein Jahr später zu zeigen, dass die Kombination von Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung geeignet war, Patienten im Atem-Kreislauf-Stillstand erfolgreich wiederzubeleben. Als pittoresk mag empfunden werden, dass Åsmund S. Lærdal seiner Übungspuppe das Gesicht der „Inconnue de la Seine“, der „Unbekannten aus der Seine“, einem in Paris in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ertrunkenen Mädchens, um deren Totenmaske sich ein morbider Kult entwickelt hatte, verliehen hatte.

Das Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck beherbergt eine ganze Reihe von Puppen zur Übung der Reanimation aus der Zeit der frühen 1960er-Jahren bis heute. Unter diesen neben einem Modell einer frühen Resusci Anne eines ihres männlichen Pendants, des „Resusci Andy“, beide aus den 1960er-Jahren. Da Resusci Anne im Netz mehrfach beschrieben erscheint, im Folgenden Bilder und Erklärungen zum weniger bekannten „Resusci Andy


Laerdal Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Unter Resusci Andys Jacke verbarg sich eine stilisierte Nachbildung des menschlichen Brustkorbs, die sich bei korrekt durchgeführter Beatmung hob, und auf der die Handballen zur Herzdruckmassage aufgesetzt werden konnten.
Laerdal Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Unter dem künstlichen Brustkorb mit der Lunge finden wir einen Metallbügel, der auf einem Polster aufsetzt, sodass der Widerstand, auf den die bei der Herzdruckmassage ausgeübte Kraft trifft, möglichst wirklichkeitsnah simuliert wird. Stimmte die Drucktiefe, war an der Halsschlagader ein mittelst Luftschläuchen realisierter Puls sicht- und tastbar. Indem sich der Bügel nach erfolgtem Druck wieder in die Ausgangslage verformte, wurde die Ausdehnung des Brustkorbs nach dem Druck nachgeahmt.
Hygieneset zu Laerdal Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Um die Hygiene bei der Übung der Mund-zu-Mund-Beatmung zu gewährleisten, wurde die Puppe mit einem Hygieneset ausgeliefert, mit dessen Hilfe Folien zur Bedeckung des Gesichts von Resusci Andy aufwändig angepasst werden mussten. Mit dem zweiteiligen Stempel wurden einer der Folien zuerst für das Gesicht des Modells vorgeformt. Sie wurde dann auf das Gesicht der Puppe aufgelegt und mit der Schablone festgedrückt. Im festgedrückten Zustand mussten die Folien im Bereich von Mund und Nasenlöchern mit dem Spatel durchstochen werden. Erst dann konnte die Puppe nach vorheriger Entfernung der Schablone mit dem Mund beatmet werden.
Hygieneset zu Laerdal Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Festdrücken der Hygienefolie mittelst Plastikschablone.
Luftpumpe zu Laerdal Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Technisch gesehen handelte es sich beim Körper um einen Luftballon, der vor Verwendung mit der mitgelieferten Luftpumpe aufgeblasen werden musste. Der Vorteil dieses Konzepts war, dass die Puppe zur platzsparenden Lagerung zusammengelegt werden konnte. Nachteilig war, dass auch geringe Beschdigungen Luftaustritt zur Folge haben konnten.
Reparatursatz mit Anleitung zu Laerdal Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Um Beschädigungen am Körper des Übungsmodells selbst flicken zu können stand den Benutzern ein Reparaturset bestehend aus Gummflicken und Kleber zur Verfügung, das ähnlich anzuwenden war wie noch heute erhältliche Reparatursätze für Fahrradschläuche.
Mit Flicken reparierte Stelle am Körper von Resusci Andy. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Transportkoffer für Resusci Andy, 1960er-Jahre. – Archiv der Freiwilligen Rettung Innsbruck.
Im Transportkoffer konnte Resusci Andy auf die Hälfte seiner Größe zusammengelegt gelagert und transportiert werden.

Ernst Pavelka, 19.08.2021